!!! Achtung: Dieses Thema wollen wir mit euch gemeinsam auch beim Landesaktionstag Thüringen am 08.07.22 in Erfurt mit euch weiter diskutieren! Ihr seid herzlich eingeladen. !!!
Naturschutz ist grün. Das erscheint logisch. Wo würde man den Naturschutz sonst politisch verorten, als links der Mitte? Wenn man bedenkt, dass Klimaschutz bei der AfD und großen Teilen der rechten Szene geradezu verpönt ist, und dass Klima-z und Umweltschutz so eng zusammenhängen jedenfalls nicht rechts. Oder?
Falsch. Für die Rechten ist Naturschutz schon lange kein Nischenthema. Im Gegenteil: Natur- und Umweltschutz hat erstaunlich viele Verbindungen zum Rechtsextremismus.Wie bei vielen Themen instrumentalisiert die Rechte den Diskurs für ihre Zwecke.
Beispiel: Neophythen und Neozoen, also Pflanzen und Tiere, die nicht ursprünglich in Mitteleuropa heimisch sind. Diese neuen Arten bilden zu Teilen ein ernstzunehmendes Problem, weil sie hier oft keine natürlichen Feinde haben und mit anderen Arten konkurrieren. Weil sie oft durchsetzungsfähiger sind gefährden sie so die Artenvielfalt. Rechte greifen diese Problematik auf – und deuten sie für ihre Zwecke um. Aus der Überlegung, die Ausbreitung dieser Arten einzudämmen wird die Forderung, „auch „fremde“ Menschen auszuweisen“ (1).
Susanne Götze und Sandra Kirchner schreiben in „Die Umweltpolitik der Alternative für Deutschland (AfD) – Eine politische Analyse“: „Dennoch ist die Umweltpolitik der Partei nicht konsequent anti-ökologisch und knüpft in vielen Punkten sogar an traditionell grüne Positionen an. Im Namen des Bürgers und des „Heimatschutzes“ betreibt die Partei aber ein prinzipiell konservatives Programm, das sich vor allem in der Energiepolitik an Regionalparteien wie die CSU anlehnt.“ (2) Eine klassische Taktik im Naturschutz also: Reale Probleme so umdeuten, dass sie zu einer völkischen Ideologie passen.
Für die politische und kulturelle Vorherrschaft gilt […] generell, dass zunächst ein „Kampf um die Köpfe“ und dann ein „Kampf um die Straße und Parlamente“ stattfinden müsse. – FARN
Nicht selten bekommt man das Gefühl, die grünen Braunen träumen von einer romantisierten Version des alten Germaniens, dass so gerne in rechte Ideologien eingebunden und für sie instrumentalisiert wird. Beispiele gibt es viele, von „Sleipnir“, dem achtbeinigen Pferd, das namensgebend für eine der wichtigsten rechtsextremen Bands ist, über die Nutzung von Runensymbolen bis hin zur gerade jetzt immer deutlicheren Verbindung von Rechtsextremismus und „alternativer Medizin“. Nun also der Wald als angebliches Kult-Symbol der Deutschen. Den es zu erhalten gilt, im Namen der Tradition und zum Schutz des „Volkes“. Im Parteiprogramm der rechtsextremistischen Kleinpartei „Der III. Weg“ heißt es zum Beispiel: “Ziel unserer Partei ist die Schaffung bzw. Wiederherstellung einer lebenswerten Umwelt, die Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes und die Förderung seiner Gesundheit.” Im Logo der Partei erscheint übrigens ein Blätterkranz. Bestehend aus: Eichenblättern. Der Germanen-Kult der Faschisten wird ebenso von rechten Agitatoren genutzt, wie der Naturschutz. Die scheinbar harmlosen Themen werden zur Radikalisierung vor allem junger Menschen herangezogen.
Denn: „Für die politische und kulturelle Vorherrschaft gilt […] generell, dass zunächst ein „Kampf um die Köpfe“ und dann ein „Kampf um die Straße und Parlamente“ stattfinden müsse.“, so schreibt es FARN, die Fachstelle für Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (3).
Und Grund zur Sorge um ihren Nachwuchs hat die Rechte: Fridays for Future ist aktuell die vermutlich größte politische Jungendbewegung. Deshalb versuchen Rechte ihre Ideologie schon bei den Jüngsten unterzubringen. Genau das also, was sie anderen vorwirft. Der AfD-Abgeordnete Thomas Prantl formuliert: „In diesem Sinne würden wir auch unsere Umweltbildung ansiedeln, dass die wirklich praxisorientiert ist […], ideologiefrei.“ (4) Womit er wohl vor allem meint: Frei von Aufklärung über den menschengemachten Klimawandel, der den Konsens der seriösen Wissenschaft darstellt. Denn den leugnet die AfD bis heute. (5) Und in einem Beitrag auf der Website „Der dritte Blickwinkel“ mit dem Titel „Naturschutz ist Heimatschutz“ schreibt Michael P.: “Keimte in unseren Kindern die Saat, dass es eigentlich ganz einfach ist, das Richtige zu tun, das Falsche zu lassen und was man von solchen Schmutzfinken zu halten hat?”
Die Vermüllung unseres Vaterlandes und unseres Volkes läuft derweil ungebrochen auf allen Kanälen weiter, sei es buchstäblich, sei es im übertragenen Sinne.- Michael P., Der dritte Blickwinkel
Bei der Recherche fällt eins auf: Naturschutzthemen gehen reibungslos über in Reichsbürger*innen-Theorien, Corona-Leugnung oder zumindest Impfgegnerschaft. Wer auf einer Plattform schreibt, den findet man meist auch auf drei anderen. Wie üblich ist die Szene gut vernetzt, alles spielt zusammen um ein Lügenkonstrukt und Verschwörungsgebäude aufzubauen. Ein Wort zu rechten Netzwerken also!
Beginnen wir mit „Umwelt & Aktiv“. Das von 2007 bis 2019 erscheinende Magazin über Umwelt-, Tier- und Heimatschutz (nach ihrem Selbstverständnis) war vor allem eins: Eine Sammlung von NPD-Mitgliedern. Schon an den Überschriften lässt sich erahnen, welche Gesinnung das angebliche parteipolitisch unabhängige Blatt hatte: „Blühende Landschaften durch völkischen Selbstmord?“(Ausgabe 2/2019), „Ewiger Wald und ewiges Volk“ und „Warum die Migration unser Land auffrisst“ (Ausgabe 3/2017). Empfehlungen für das rechte Blatt kommen immer wieder von der “Jungen Freiheit” und dem III. Weg. Nach wiederholter Nennung in Verfassungsschutzberichten wurde die Zeitung 2020 eingestellt. Zwei Monate später erscheint ein neues Magazin: Die Kehre. Ein nahtloser Übergang, das gleiche Ziel im neuen Gewand. Die Kehre ist nach Heideggers Werk “Die Technik und die Kehre” benannt. Heidegger sah den Nationalsozialismus als mögliche Rettung, als Kehre in der Menschheitsgeschichte. Als Antisemit und glühender Hitler-Verehrer ein fragwürdiges aber passendes Vorbild. Im Fokus steht eine “ganzheitliche” Betrachtung von Umweltschutz, das Beleuchten auch von Haus und Hof statt einer “Verengung” auf den Klimawandel. (6) Als Menu-Optionen gibt es Naturschutz, Heimatschutz, Landbau. Es gibt Interviews mit Alain de Benoist, dessen Kapitalismuskritik vor allem auf Antisemitismus fußt, genauso wie Artikel über den angeblichen Widerspruch zwischen Klima- und Artenschutz.
Doch es geht um die Vernetzung in rechten Kreisen. Wer also ist Verantwortlich für “Die Kehre”? Eine interessante personelle Verknüpfung stellt zum Beispiel der Chefredakteur dar. Jonas Schick: Teil der identitären Bewegung, langjähriges AfD-Mitglied, Blogger bei Sezession, rechter Netzwerker. AfD-Watch spricht über eine “enge politische Verflechtung mit Höcke und dessen Netzwerk”. Schon vor der Kehre schrieb Schick für das offen rechte Blatt “Sezession”. In seinem Blog “Netzfundstücke” schreibt er gegen das “linke Establishment”, die Impfpflicht und Ausländer*innen (auch wenn er das natürlich nicht gendert und eine gerechte Sprache für gänzlich überflüssig und absurd hält). Die angeblich “wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz” erscheint im gleichen Magazin, in dem auch Götz Kubitschek (ja, DER Kubitschek) veröffentlicht und das von dessen Antaios-Verlag herausgegeben wird. Der sitzt übrigens an der gleichen Stelle wie das “Institut für Staatspolitik”, eine rechte Denkfabrik, die inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Auch hier wieder: Das IfS ist Kristallisationskern für eine Vielzahl rechter und völkischer Ideologien, ein Forum für Austausch und Vernetzung. Die Verbindungen, personell, ideologisch und räumlich, gehen viel weiter. Es würde den Rahmen dieses Beitrags um weites überschreiten hier alle Querfronten aufzeigen zu wollen. Aber es wird klar: Alles hängt zusammen. Wer im Naturschutz die Bewahrung des “Volks” sieht, neigt auch zu anderen Verschwörungsmythen. Die Schnittmenge zwischen Rechten, Impfgegner*innen, Klimawandelleugner*innen und anderen Milieus dieser Art ist erschreckend groß, und das zeigt sich nicht erst, seit sie zusammen “spazieren” gehen.
Bei der Recherche für diesen Beitrag war ich immer wieder fassungslos angesichts der Dreistigkeit der Rechten, und bin es noch. Es ist erschreckend wie organisiert die Rechte immer wieder Themen und Diskurse kapert, um sie für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Wie sie versucht jeden Fortschritt zu einer weltoffeneren, pluraleren Gesellschaft zunichte zu machen. Wie sie immer wieder darauf hin arbeitet, die Überlebenschancen der Menschheit zu minimieren, indem sie den Klimaschutz boykottiert. Wie sie destruktive “Diskussionen” beginnt, um ihre Gegner*innen zu spalten und sich selbst immer stärker darzustellen, als sie ist. All das muss für uns eins bedeuten: Wir müssen umso entschlossener Handeln, wir dürfen nicht auf die Erzählung von Spaltung hereinfallen, wenn es eigentlich um einen kleine Splitter im Fleisch der Demokratie geht. Und wir müssen besser vernetzt sein, als die neue Rechte.
Die Menschen, die Fakten als solche akzeptieren und Debatten auf Grundlage der Wissenschaft führen haben so viele Ansatzpunkte, sich zu vernetzen. Der Kampf gegen den Klimawandel ist eine logische Konsequenz aus der Wissenschaft. Sich Impfen zu lassen ist eine logische Konsequenz aus der Wissenschaft und aus Menschlichkeit. Unsere Demokratie zu schützen ist eine notwendige Maßnahme um die freie Wissenschaft zu erhalten, eine logische Konsequenz aus dem Drang zu Freiheit und Gleichberechtigung und dem Glauben daran, dass es vielleicht doch noch Hoffnung für die Menschheit gibt.
(1) https://www.demokratie-leben.de/magazin/magazin-details/rechtsextremismus-im-umwelt-und-naturschutz-38
(2) https://www.boell.de/sites/default/files/2016-02_die_umweltpolitik_der_afd.pdf
(3) https://www.nf-farn.de/glossar-kulturrevolution-rechts
(4) https://www.youtube.com/watch?v=F_xqkuX7INc
(5) https://www.afd.de/umwelt/
(6) https://www.bundesjugendwerk.de/bundesjugendwerk/projekte-kampagnen